Rundbrief
von
Hanspeter Javet
Roostrasse 49
8105 Regensdorf
 
 
 
 
 
 
VORWORT
 
Lieber Leser, Liebe Leserin,
 
Nun sind zwei Jahre vergangen, seit ich in Haft  bin und einige Menschen, die mir nahe stehen, möchten gerne wissen, wie es mir geht und was eigentlich passiert ist. 
Um alle auf den gleichen Stand des Wissens zu  heben, habe ich mich entschlossen, einen „Rundbrief“ zu kreieren und diesen in regel-mässigen Abständen zu erstellen und zu versenden, so das Ihr auf dem laufenden sind, wie es mir geht und was so bei mir abläuft.
 
 
Das Leben hinter Gitter
 
Nur sehr wenige Menschen können sich das Leben hinter Gittern vorstellen und es richtig einschätzen.
Ich möchte Euch gerne mal den normalen Alltag in der Strafanstalt Pöschwies näher bringen.
Untergebracht ist man im Normalvollzug in Wohneinheiten mit 24 „Zimmer“ und das Zimmer bewohnt man allein.
Ein normaler Wochentag fängt um 06.15 an, wenn man geweckt und das Zimmer geöffnet wird. Bis um 7 hat man Zeit, um im Essraum zu Frühstücken.
Um 07.20 rückt man zur Arbeit aus, wo man bis um 11.30 verbleibt. Danach wird wieder in die Wohneinheit zurückverschoben, wo das Mittagessen wartet.
Um 12.15 können wir eine Stunde auf den Spazierhof gehen, wo man Sport treiben, spazieren oder mit anderen Insassen sprechen kann.
Um 13.30 geht es wieder zur Arbeit, die bis 16.30 dauert.
Danach wird in der Wohneinheit zu Abend gegessen.
Wir Insassen werden um 20.00 wieder eingeschlossen und so ist ein Tag unter vielen vorbei.
Am Abend kann man Abendaktivitäten machen, z.B. Computerkurse, div. Sportarten, Schach, Jassen etc. . Für diese Aktivitäten muss man sich anmelden und je nach Nachfrage kommt man auf die Warteliste und muss einige Zeit darauf warten.
Einige Aktivitäten wie die Computerkurse sind Kostenpflichtig und werden uns berechnet.
Gewisse Kurse sind auch tagsüber wie z. B. die Sprachkurse.
 
Weiter geht es nächstes mal………..
 
 
Mein Wochenprogramm
 
So sieht momentan mein Wochenalltag (ausserhalb der Arbeit) aus:
 
Montag: nichts besonderes
 
Dienstag :09.30 bis 10.20Englisch
10.30 bis 11.30Gespräch mit Pfr. Stüfen
17.45 bis 19.20PC Kurs Kommunikation
 
Mittwoch:
 
Donnerstag; 13.30 BIS 16.30PC Kurs Power Point
  17.45 bis 19.2010 Fingerschreibkurs
 
Freitag:nichts besonderes
 
Der PC Kurs über das Betriebssystem habe ich schon absolviert und erfolgreich
abgeschlossen.
Ein PC Kurs kostet inkl. Unterlagen jeweils 55 Fr., was eigentlich sehr günstig ist,
aber mit demkleinen Verdienst hier ist es doch eine kleine Bürde. 
 
Was habe ich noch geplant…….
Weitere PC Kurse (Exel; Word; Access)
Ev. mache ich sogar noch eine Lehre als Betriebspraktiker …
 
Habt Ihr Fragen oder ist etwas unklar?
Dann freue ich mich auf Post von Euch und ich werde auch darauf Antworten.
 
 
 
Was ist geschehen....
 
Das warum, wieso und weshalb………… Diese fragen stehen immer wieder im Raum
und viele von Euch wissen mehr oder weniger, was geschehen ist. 
Einige haben es aus dem Internet oder der Presse erfahren, anderen habe
ch es nach einiger Zeit anvertraut, oder anvertrauen wollen (leider war das
Buschtelefon schneller)…
Als erstes muss ich Euch sagen, dass es nicht einfach ist, darüber zu sprechen.
Die Angst, nicht verstanden und  abgelehnt zu werden, Freunde zu verlieren
und alleine dazustehen ist recht gross bei mir.
Auch wer was wem wie erzählt oder wer kann anvertrautes für sich behalten……
So sind schon einige kuriose Situation entstanden, die für mich schwierig waren.
Momentan bin ich in Gesprächen am auf- und verarbeiten, was geschehen ist und
wo ich momentan stehe.
 
 In einem späteren Rundbrief werde ich Euch dann schreiben, was los war.
Bitte versteht, dass ich momentan einfach noch nicht soweit bin, um so offen darüber
zu sprechen. Ich hoffe auch, dass Ihr mir diese Zeit gebt und mir trotz allem noch eine
Chance einräumt.
 
 
 
Besuche
 
Die Besuchspraxis in der Pöschwies ist folgende:
Ich kann jede Woche für eine Stunde einen Besuch haben, wobei max. vier Personen zugelassen sind.
Auf der Besuchsliste sind zwölf Personen zugelassen und ich kann diese jeweils nur einmal im Jahr ändern.
Ich freue mich sehr, wenn mich jemand Besuchen kommt . Aber bitte überlegt euch, ob ihr bereit seid, mich mehrmals zu Besuchen, denn für einen einmaligen Besuch, auch wenn er mich sehr erfreut, ist es einfach zu eng auf meiner Besuchsliste und ihr würdet jemandem den Platz streitig machen, der mich gerne mehrmals besuchen möchte.
Wie gehe ich vor?
Vor dem ersten Besuch müsst ihr einen Antrag ausfüllen über eure Person und ein Gesuch für Gefangenenbesuch. Diese könnt Ihr über mich oder das Internet (www.pöschwies.ch) erhalten
Eine grosse Bitte habe ich aber an Euch… Bitte schreibt mir vorher, dass Ihr mich gerne Besuchen möchtet, damit ich informiert bin. Falls Ihr einen angemeldeten Besuch nicht einhalten könnt, bitte ich euch, dies dem Besuchswesen der Pöschwies zu melden, ansonsten verfällt diese Stunde (sonst wird sie mir gutgeschrieben)
Und….
Wenn Ihr mir gerne ein Paket schicken würdet, ist die Regel so, dass es viermal im Jahr möglich ist.
Am Geburtstag; die ersten zwei Wochen im Mai; die ersten zwei Wochen im September und an Weihnachten.
Das Gewicht ist auf 5 Kg limitiert. (nicht pro Paket, sondern insgesamt) Aus diesem Grund ist es wichtig, mir mitzuteilen, damit es nicht überschritten und auf meine Kosten wieder retourniert wird.
 
 
Gebet eines Gefangenen
aus dem Buch „Gott im Gefängnis““ 1996
 
Gott, was soll ich Gefangener, ich Aussätziger der Gesellschaft, klagen?
Die Hütten sind trockener… als früher, das Essen ist besser
Es gibt Kaffee und Tabak- wenn wir Geld haben.
Es gibt keine Schläge mehr… und keine Todesstrafe.
 
Was will ich mehr?     Doch, doch, ich will mehr….
Ich will leben, richtig leben, frei leben, ich will frei sein von Vorurteilen, frei auch von Vorurteilen der anderen, wenn ich mal entlassen bin.
 
Ich will frei sein von ihrem Misstrauen, ihrer Gleichgültigkeit, frei von meinen Ängsten, meiner Schuld, meiner Einsamkeit.
 
Ich möchte gefühlvoll leben mit einem Menschen, ich möchte einen Freund oder eine Freundin, einen Menschen, der mich liebt.
 
Dann kann ich gesund werden
Und leben in einer Gesellschaft, die selbst krank ist –
Leben wie andere, und doch anders, mit anderen Erfahrungen
 
Gott ich hoffe auf Wärme und Weite
Auf den freien Blick, auf die Luft im Wald
Und auf dich, der du in allem bist, was gut ist
Der du frei und lebendig machst
 
AMEN